Hamburg
William Kentridge
Why Should I Hesitate: Putting Drawings To Work
Deichtorhallen 23.10.2020–18.04.2021
von Hajo Schiff
Im ersten seiner Trickfilme textet ein Redner einen Stuhl solange zu, bis der Raum mit Buchstaben völlig gefüllt ist. Der Stuhl wehrt sich und kickt den Schwätzer mit einem seiner Beine aus dem Bild. Diese einminütige Animation von 1975 gibt einem Kritiker, der über Kunstdinge Worte verliert, zu denken: Wird er über den weltbekannten Künstler Kentridge und diese vom Zeitz MOCAA, Museum of Contemporary Art Africa in Kapstadt übernommene, bisher umfangreichste Ausstellung des Südafrikaners vielleicht Unangemessenes äußern? Jedenfalls zeigt schon diese frühe Arbeit das Interesse des nunmehr 65jährigen Kentridge an der Wesenheit der Dinge: Bis heute gibt es im animierten Werk sehr lebendige Stühle, wandernde Megaphone und Plattenkameras sowie andere seltsam aktive Retroobjekte.
Die Hamburger Deichtorhallen zeigen mit viel rohem Holz, kleinen Kabinetten und großen Installationen samt Perserteppichen und prächtigem Lesesaal auf über 3.000 qm eine komplexe Retrospektive, inszeniert von der Brüsseler Bühnenbildnerin Sabine Theunissen in Abstimmung mit dem Künstler. Alles beginnt bei frühen gesellschaftskritischen Drucken aus den siebziger Jahren und führt bis zur 45 Meter breiten Sieben-Kanal-Installation der unendlichen Trauerprozession „More Sweetly Play the Dance“ von 2015, deren damaliger Bezug zu Ebola nun auf Covid-19 trifft. Das Filmprogramm alleine umfasst in Monitoren und Projektionen über die Ausstellung verteilt schon etliche Stunden.
Von Anfang an war Kentridge eher ein Mann des Theaters und des Films, als der bildenden Kunst. Und dieser Hang zur Theatralik durchzieht sein ganzes multimediales Werk ausgehend vom Johannesburger Off-Theater über den Erfolg in den Museen…