Vom Schreiben über die Musik
von Max Dax
Katharina Holländer schreibt am 18. Juli 2020 in Republik einen Text über Bob Dylan mit dem Titel „Eine Stimme erhebt sich“. Ihr Beitrag ist in dreierlei Hinsicht bemerkenswert: Erstens ist ihr Text sehr, sehr lang. Zweitens ist ihr Text sehr, sehr genau. Katharina Holländer schafft es nicht zuletzt aufgrund des ihr gewährten Raums, dem oft generisch behandelten Thema „Dylan“ neue Aspekte abzuringen. Auch deshalb ist ihr Text, drittens, sehr, sehr gut. Republik ist dabei keines der etablierten, sich selbst als Provider von „Qualitätsjournalismus“ bezeichnenden Medien, sondern eine Schweizer Genossenschaft von hunderten „Verleger*innen“, genannten Abonnent*innen. Und leider ist es immer noch erwähnenswert, wenn einer Autorin ein solcher Text gelingt – im Feld der Musikkritik, die seit Jahrzehnten von schreibenden Männern dominiert wird. Dass es bemerkenswert ist, wenn Autor*innen komplex, rhizomatisch und erkenntnisstiftend über Musik schreiben, wirft ein schlechtes Licht auf den deutschsprachigen Pop-Kulturjournalismus. Dessen Geschichte beginnt, verkürzt betrachtet, Anfang der Achtzigerjahre und dem Aufstieg der Spex bzw. dem Wechsel des Redakteurs Diedrich Diederichsen von Sounds zu Spex, von Hamburg nach Köln. Quasi im Alleingang gelingt es der Clique um Diederichsen – zur Kölner Redaktion gehören auch Jutta Koether, Clara Drechsler, Ralf Niemczyk, Lothar Gorris und andere mehr – in mühsamer, selbstreflexiver und selbstkritischer Arbeit, neben dem Berichten über das Objekt der Begierde, die Arbeit am Wortwerk selbst zu thematisieren: Der Pop-Journalismus bei Spex vereint das Berichten über Musik, Film, bildende Kunst, Literatur, Politik, Medien und Philosophie durch das Brennglas eines aufgeklärten Pop-Verständnisses, das die Leser*innen…