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Titel: Staunen - Porträts zum Staunen der Künstler · von Paolo Bianchi · S. 150 - 157
Titel: Staunen - Porträts zum Staunen der Künstler ,

Katharina Anna Loidl

Harte Einschnitte in den Sehnerv
von Paolo Bianchi

Wenn uns das Schöne an die sinnliche Welt bindet, so befreit uns das Erhabene hingegen davon, meinte Friedrich Schiller 1801. Wenn Katharina Anna Loidl historische Stahlstiche als Grundlage für ihre eigenen Landschaftsradierungen verwendet, dann stammen sie aus der Zeit zwischen 1835 – 1840, sie zeigen mehrheitlich Schweizer Alpinlandschaften. Der Kunstkritiker Vitus Weh hat treffend bemerkt, dass es sich um „eng geführte Kontrastierungen aus lieblichen Szenen im Vordergrund sowie bedrohlich gezackten Bergen im Hintergrund“ handelt. Ihr wohliger Schauer führe „eine Gefühlsmechanik vor Augen, die damals zahlreiche Philosophen und Literaten intensiv beschäftigte: das Erhabene.“ ¹

Im Gefühl des Erhaben wirkt eine Pendelbewegung: Diese schlägt aus – verursacht durch unendliche Sternenhimmel und Naturgewalten wie Vulkane, durch schreckliche Stürme oder gewaltige Berge – von einer Unterlegenheit als Sinneswesen zu einem Bewusstsein der Überlegenheit. Einerseits verwendet Loidl die gleichen Werkzeuge, Stichel und Radiernadel, wie sie bei der Herstellung der Originaldruckplatten eingesetzt wurden. Anderseits ist sie ideengeschichtlich in das Weitererzählen des Erhabenen verstrickt. Daraus folgert Weh in seinem Text: „Loidls Landschaftradierungen zeigen das permanente Arbeiten am Erhabenen buchstäblich als subtiles Abheben von dunklen Schichten und Oberflächen.“ ² Das Staunen ist bei Loidl kein berechenbarer Effekt, es ist die Überwältigung durch das wahrhaft Erhabene.

Das Staunen ist bei Loidl kein berechenbarer Effekt, es ist die Überwältigung durch das wahrhaft Erhabene.

VIER HALTUNGEN DES STAUNENS

Im ersten Jahrhundert sah der Philosoph Longius im Erhabenen den „Ausdruck einer großen Erfahrung“, die eine Ekstase hervorruft. Bezeichnend wurde der Begriff dann für die Maler der Romantik…

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