Hamburg
Michael Wolf
Life in Cities
Deichtorhallen / Haus der Photographie 17. 11.2018 – 03.03.2019
von Rainer Unruh
Melancholie und Müdigkeit spricht aus den Gesichtern. Die Züge sind verzerrt, weil eine unsichtbare Kraft die Menschen gegen Glasscheiben presst, die oft von Tropfen oder Schlieren übersät sind. Michael Wolf hat für die Fotoserie „Tokyo Compression“ (2010 – 2013) Passagiere in den überfüllten U-Bahnen der Metropole abgelichtet. Es sind intime Bilder, die den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt rücken, aber sie sind zugleich seltsam abstrakt, weil sie uns, anders etwa als die „Subway Portraits“ (1938 – 41) von Walker Evans, jegliche Informationen über die Passagiere verweigern. Wir sehen keine Kleidung und keine Situationen, die uns etwas über den Status der Personen verrieten. Wir sehen nur die resignierte Mimik von Menschen, ausgeliefert an eine auf Effizienz getrimmte Maschinerie, die jeden Tag Millionen Pendler transportiert.
Nach UN-Schätzungen werden 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. „Life in Cities“ gibt einen bitteren Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, wenn eine auf normiertes und billiges Bauen reduziere Architekturmoderne auch künftig die Oberhand behält. In Chicago, dessen Hochhäuser Martin Wolf 2006 für die Serie „The Transparent City“ fotografiert hat, erlauben die großen Glasfenster einen Blick in die Büros. Wolf hat die Ausschnitte, in denen er Menschen entdeckte, vergrößert und die entsprechend verschwommenen Aufnahmen neben die scharf konturierten Fotos der Gebäude platziert. Die Angestellten wirken dadurch entrückt, als führten sie eine ähnliche transitorische Existenz wie die U-Bahn-Passagiere in Tokio.
In Hongkong, Schwerpunkt der Ausstellung, knallen die Gegensätze noch härter aufeinander. In den…