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Ausstellungen: Berlin · von Ronald Berg · S. 228 - 231
Ausstellungen: Berlin ,

Berlin
Louise Bourgeois

The Woven Child
Gropius Bau 22.07.– 23.10.2022

von Ronald Berg

Der Kopf scheint von Narben übersät. Ja, es sieht so aus, als ob ihm zu großen Teilen die rosa Gesichtshaut fehlte, genauso wie die Augen, an deren Stelle nur faltiges Gewebe eine in die Tiefe gehende Leere kaschiert. Der Mund mit Zunge allerdings ist detailliert ausgearbeitet und scheint wie im Schmerz geöffnet. Der ganze Kopf stellt sich so dar, wie man es bei barocken Plastiken findet, die ihre Verzückung oder ihr Martyrium an den Himmel adressieren.

Dass Louise Bourgeois mit diesem kunstvollgrob zusammengenähten Kopf aus rosa-gerippten Jerseystoff über grobem Wollvlies so etwas wie ein „Wiedergutmachen“ ausdrücken wollte, muss dann doch überraschen. Aber genau diese These liegt der Ausstellung „The Woven Child“ im Berliner Gropius Bau jetzt zugrunde. Die mit rund 90 zum Teil großformatigen Arbeiten opulent bestückte Schau wurde zusammen mit der Londoner Hayward Gallery organisiert, wo sie im Frühjahr bereits zu sehen war. Eigentliches Thema sind nur die textilen Arbeiten von Bourgeois, oder doch solche, die mit dem Nähen und Schneidern bzw. mit Stoffen und Garnen zu tun haben. Und das haben eben sehr viele von Bourgeois’ Zeichnungen, Skulpturen und Installationen, auch wenn sie überhaupt erst Mitte der 90er Jahre damit angefangen hat, Textilien zu verwenden, zu einer Zeit also als sie bereits über 80 Jahre alt war.

Thema und Material führen zurück in Bourgeois’ Kindheit. Die Familie lebte vom Textilgeschäft. Die Mutter führte eine Werkstatt zur Reparatur antiker Gobelins im gleichen Haus, wo die Familie wohnte, der Vater verkaufte die…

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