Martin Assig
Siehst du mich?
von Reinhard Ermen
Kann man Seelen malen? Die Frage erscheint abwegig und klingt, als habe sie mit den Bedürfnissen der aktuellen Kunst nichts zu schaffen. Martin Assig, ein unabhängiger und freier Künstler hat indessen keine Scheu, sie zum Titel einer aktuellen Serie zu wählen. Und natürlich geht es nicht darum, sie zu malen oder zu zeichnen, man muss auch nicht an sie glauben, es gibt schließlich einen weltlichen Umgang mit der Seele, der „das Wesen einer Sache meint“. Aber ein kleines Stück Unsterblichkeitstheologie mag noch darin enthalten sein, „eine Art Existenz vom Menschen“ spielt mit, zumal der Künstler nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er katholisch ist und in jungen Jahren Kernerfahrungen in seiner Kirche gemacht hat. Entsprechend weniger geht es um Psychologie, die als Wissenschaft die Seele im Namen führt, was eine bodenständige Anwendung nicht ausschließt.
„Wie beim Porträt“, sagt er beispielsweise Anfang Oktober als ich ihn in seinem Domizil in Brädikow (Havelland) besuche: „ich würde das Seelische mehr malen, zeichnen, als die bloße Ansicht.“ Das „Seelische“ ist ein Wort, das im Gespräch öfter fällt, wenn es darum geht, etwas hervorzuheben, eine Distanz zu gewöhnlichen Vorgängen herzustellen; wenn ihn Dinge „ergreifen“. Die Serie „Seelen“ fasst zusammen, was in diesem Sinne zusammen gesehen werden kann, also Wesentliches, das freilich nicht schwergewichtig oder puristisch auftrumpft, sondern oft geradezu wie beiläufig berührt wird. Das sind auch rhetorische Tricks. „Seele“ steht auf einem winzigen Cartellino, das in blauen Linienbündeln eines Großformats (Seelesaal / 2022) fast unter geht wie eine Flaschenpost…