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Essay · von Amine Haase · S. 254 - 257
Essay ,

Mnemosyne der Bilder des Erinnerns

von Amine Haase

Mnemosyne könnte die Schutzpatronin dieser Zeit sein. Sie ist die Göttin der Erinnerung und gehört als Tochter der Titanen Uranus und Gaia zum ältesten Göttergeschlecht der griechischen Mythologie. Und sie ist die Mutter der Musen, der neun Schutzgöttinnen der Künste. In Zeiten der Unsicherheit mag man sich eher aufs Erinnern beschränken als ins Planen vorzuwagen. Mnemosyne ermöglicht den Blick zurück und, dank der Künste, gleichzeitig nach vorn.

Das lange Gedicht „The Waste Land“ (Das öde Land) von T. S. Eliot aus dem Jahr 1922 beginnt mit einer Feststellung, die wir 2020 – in ganz anderem Kontext – ebenso machen konnten: „April is the cruellest month, breeding / Lilacs out of the dead land, mixing / Memory and desire, stirring / Dull roots with spring rain.“ (April ist der übelste Monat von allen, treibt / Flieder aus der toten Erde, mischt / Erinnerung mit Lust, schreckt / Spröde Wurzeln auf mit Frühlingsregen.) Die üppig blühende Natur ließ die wegen eines neu- und bösartigen Virus verursachten Beschränkungen in unseren alltäglichen Gewohnheiten noch grausamer erscheinen.

Trost durch Euterpe, die Muse der Lyrik? Hölderlin, Celan, Rilke hinterlassen – wie Eliot – eine eher trost-lose Stimmung. Nicht im Hoffen, sondern im Scheitern öffnen sich da Perspektiven. „… und kalt im Winde klirren die Fahnen.“ (Hölderlin). „… Erst jenseits der Kastanien ist die Welt“ (Celan), „Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben …“ (Rilke) Wer es nicht glauben wollte, musste es nun wohl erfahren: Euterpe ist nicht dazu bestimmt, Trost zu…

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