5 — Pandemie und Globalisierung
Statements
Ulf Poschardt
Chefredakteur der Welt / Autor, Berlin
Ohne Denkscheuklappen dem Künftigen auf der Spur
Die Angst errichtet ihre größten Zitadellen dort, wo Menschen überfordert sind. Singuläre Bedrohungen zentrieren Unüberschaubares auf ein Thema. Aktuell: Corona. Die Welt eint eine Sorge. Und träumt von einem Ende der Krise. Die Idee der Krankheit als Metapher nährt vor allem den Wunsch auf Heilung. Deswegen entwickelt sich das Handling der Krise in so vielen Ländern zu einer dystopischen Seuchen-Notstandsherrschaft. Dabei aktualisiert sich der Globalisierungsekel je nach weltanschaulicher Grundierung mit unterschiedlicher Akzentuierung. Da die Globalisierung, welche Linke und Rechte gleichermaßen empört, eine einzigartige Erfolgsgeschichte ist, wird deutlich, dass es in der Globalisierungskritik in der Regel um ein populistisches Anschlussbemühen an den jeweiligen Kulturpessimismus geht.
Und dieser heißt Aufgeben. Die Angst vor der Krankheit lähmt sie existenziell. Eine Pandemie macht aus der Globalisierung die absolute Bedrohung. Der unsichtbare Virus interessiert sich weder für Ländergrenzen, noch für Ethnien, Religionen, Hautfarben, auch nicht für politische Weltanschauungen: er sagt nur, dass wir alle in derselben Welt leben und zumindest im Augenblick der Bedrohung ahnen, dass wir idealerweise gemeinsam an einer medizinischen oder pharmazeutischen Entschärfung arbeiten sollten.
In den Kathedralen der Angst schlummert auch die Sehnsucht nach Führung und Führern. Der Überwachungsstaat wird als Heilung nicht nur in den klassischen Autokratien genutzt, sondern mit einem geradezu perversen zivilgesellschaftlichen Overdrive in den liberalen Demokratien. Es ist der (Natur)Wissenschaftspositivismus der KlimaschützerInnen, die lange damit warben, dass wir nur der Wissenschaft zuhören, als gäbe es DIE WISSENSCHAFT.
Die Globalisierung, ein anderes Wort…