Vom Totentanz zu Zukunftsmodellen
Kunst in Zeiten von Pandemien
von Sabine B. Vogel
Seuchen begleiten die Menschheit seit Jahrtausenden. Erste Nachweise der Pest finden sich bereits in der Steinzeit. Nach neuestem Stand der Forschung breiteten sich die Erreger von Zentralasien aus, ab ca. 3.000 v. Chr. in Nordeuropa. Stand das Mittelalter ganz im Bann der Pest,1 so wüteten im 20. Jahrhundert Grippeviren rund um den Globus. Am Ende des Ersten Weltkrieges starben bis zu 50 Millionen Menschen an der Spanischen Grippe, in den 1950er Jahren infizierte die Asiatische Grippe Tausende. Aber anders als die Pest fanden die Grippe-Pandemien kaum Eingang in unser kulturelles Gedächtnis. Wird die aktuelle Covid-19-Grippe diese Tendenz fortsetzen?
Mitte des 14. Jahrhunderts forderte die Pest mehr als 20 Millionen Tote in Europa – und blieb ab da eine allgegenwärtige Bedrohung. Bis heute erinnern daran Denkmäler und Kirchen in unseren Städten wie etwa die 21 Meter hohe Wiener Pestsäule von 1679. Mit solchen Monumenten bedankten sich Herrscher und begüterte Stifter in Europa für das Ende der Seuche. Oft ist darauf der Hlg. Sebastian oder der Hlg. Rochus zu sehen. Da seit der Antike Seuchen mit dem Bild des Pfeils beschrieben wurden, bot sich Sebastian als zentraler Pestheiliger an, denn er wurde in seinem ersten Martyrium von Pfeilen durchbohrt und überlebte. Rochus von Montpellier dagegen half als Rompilger 1317 bei der Pflege von Pestkranken und heilte sie scheinbar nur mit Hilfe des Kreuzzeichens. Tintoretto greift dieses Bildmotiv in einem seiner 1581 vollendeten, grandiosen Deckengemälde in der Scuola Grande di San Rocco in Venedig…