Aktionen und Projekte
Nicole Eisenman-Brunnen kehrt zurück nach Münster
Nicole Eisenmans „Sketch for a fountain“-Brunnen zählte zu den beliebtesten Objekten der Skulptur Projekte Münster 2017. Die Initiative „Dein Brunnen für Münster“ sammelte inzwischen 620.000 Euro an Spendengeldern ein, damit das Werk 2021 an die Promenade zurückkehren kann. Die Wiederaufstellung ist damit finanziell gesichert, zumal die Künstlerin und auch ihre Galerie auf ein Honorar verzichten. Es fehlen für die technische Umsetzung zwar noch 100.000 Euro, aber auch dafür gäbe es „positive Signale“ aus der lokalen Wirtschaft, berichteten die „Westfälischen Nachrichten“. Zu dem Ensemble gehören zwei Bronzefiguren, deren Originale wieder montiert werden. Drei weitere Gipsfiguren werden voraussichtlich durch Aluminiumskulpturen ersetzt. „Großartig“ findet auch Kasper König, Mitbegründer der Skulptur-Projekte Münster, die Initiative: „Ich bin stolz!“
Documenta: Erste Lumbung-Mitglieder stehen fest
„lumbung“ ist das indonesische Wort für eine kolletiv genutzte Reisscheune, in der die überschüssige Ernte „zum Wohle der Gemeinschaft“ gelagert wird. Solche Speichergebäude dienen einer gemeinsamen Nutzung von Vorräten und anderen Ressourcen und damit einer wechselseitigen Fürsorge. Das kuratorische Team ruangrupa, das die nächste Kasseler documenta 2022 verantwortet, nimmt die Werte und Ideen von lumbung zum Ausgangspunkt der Konzeption von Ausstellungen und Aktionen in Kassel. Zur Mitgestaltung eingeladen sind als „lumbung Member“ die Initiativen Fondation Festival Sur Le Niger (Ségou, Mali), Gudskul (Jakarta, Indonesien), INLAND (Madrid, Spanien), Jatiwangi art Factory (Jatiwangi, Indonesien), Khalil Sakakini Cultural Center (Ramallah, Palästina), Más Arte Más Acción (MAMA) (Nuqui, Choco, Kolumbien), OFF-Biennale (Budapest, Ungarn), Trampoline House (Kopenhagen, Dänemark) sowie das ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik (Berlin, Deutschland).
HKW Berlin: Digitale Briefe
„Für einen kurzen Moment hat der Kampf gegen Covid-19 die Logik der Ökonomisierung des Lebens ausgesetzt. Soziale Ungleichheiten verschärfen sich, doch auch neue Formen der Solidarität entstehen. Welche möglichen Zukünfte gilt es in den Rissen der Gegenwart zu entdecken?“ Zu dieser Frage gibt das HKW-Haus der Kulturen der Welt eine Folge von „digitalen Briefen“ unter dem Label „CC: World“ heraus. In der ersten Folge schreibt Hito Steyerl über Atemnot und freien Fall. Rabih Mroué sendet eine Videomeditation über Familie und Abwesenheit.
Banksy: Protestbild
Nachdem im Mai 2020 in Minneapolis der Afroamerikaner George Floyd durch einen brutalen Polizeieinsatz ums Leben kam, gab es weltweit Protestkundgebungen gegen Rassismus – gegen den Rassenhass in den USA, aber auch gegen Diskriminierungen im jeweils eigenen Land. Auch in der Kunst wurde auf die Tatsache reagiert, dass solche Vorkommnisse im US-Alltag keine Einzelfälle sind. Der britische Street-Art-Künstler Banksy reagierte darauf mit einem Bild, das er auf Instagram veröffentlichte. Es zeigt einen Gedenkort mit dem Bild eines Schwarzen, stellvertretend für alle, die wegen ihrer Hautfarbe bei Polizeieinsätzen starben, daneben Blumen und Trauerkerzen. Eine dieser Kerzen setzt eine US-Flagge in Brand. Dazu erklärte Banksy: „Zunächst dachte ich, ich sollte einfach die Klappe halten und zuhören, was Schwarze zu diesem Problem zu sagen haben. Aber warum sollte ich das tun? Es ist nicht ihr Problem. Es ist meins“. Damit meint er ein „fehlerhaftes System“, dessen Reparatur nicht die Aufgabe der Schwarzen oder People of Color sei, sondern eine Aufgabe für die weißen Verursacher, die vor 350 Jahren Sklaven aus Afrika auf ihre Plantagen holten, und die in den Südstaaten der USA auch nach der Abschaffung der Sklaverei 1865 noch gut ein Jahrhundert lang im Alltag eine Rassentrennung praktizierten. In den 1960er Jahren wurden auf Demonstrationen die ersten US-Flaggen öffentlich verbrannt – aus Protest gegen den Vietnamkrieg, aber auch aus Protest gegen die Rassentrennung. Dass Banksy ausgerechnet dieses Motiv in seinem Bild aufgreift, hat einen zeitaktuellen Hintergrund: US-Präsident Donald Trump hatte 2016 damit gedroht, wer die US-Flagge verbrenne, müsse künftig mit Entzug der Staatsbürgerschaft und mit Gefängnis rechnen. So führt Banksys Parabel ebenso vor Augen: mit Leuten wie Donald Trump ist die Reparatur des „fehlerhaften Systems“ nicht zu schaffen – im Gegenteil: es gleitet mehr und mehr in eine illiberale Demokratie ab.
Monografie über Roberto Ciulli
1980 gründete Roberto Ciulli in Mülheim an der Ruhr gemeinsam mit dem Dramaturgen Helmut Schäfer und dem Bühnenbildner Gralf-Edzard Habben das Theater an der Ruhr – ein freies, aber staatlich subventioniertes Ensembletheater. Über das Wirken des Theatermannes Ciulli erschien soeben im Alexander Verlag Berlin eine zweibändige Monografie „Der fremde Blick – Roberto Ciulli und das Theater an der Ruhr“. Auf insgesamt 1.280 Seiten wird sein Werdegang dokumentiert: Ciulli gründete mit 26 Jahren ein Theater in Mailand, promovierte in Philosophie, und als er dann 1965 nach Deutschland kam, arbeitete er hier zunächst als Fernfahrer und in einer Fabrik, bevor er in Göttingen Regieassistent wurde. In Köln war er in den 1970er Jahren Schauspieldirektor. Heinz-Norbert Jocks führte ein Interview mit Roberto Ciulli für KUNSTFORUM Bd. 268 (S. 316 ff.)
Anthropocene on hold
Die griechische Polyeco Contemporary Art Initiative PCAI führt bis zum 31. Dezember 2020 die Online-Ausstellung „Anthropocene on hold“ durch. Zwei Ereignisse markieren dieses Projekt: zum einen die Beschreibung des jetzigen Zeitalters als „Athropozän“ durch den niederländischen Wissenschaftler Paul Crutzen, der damit eine Epoche meint, in der die Entwicklungen auf der Erde wesentlich durch menschliche Einflüsse und Eingriffe bestimmt sind. Zum anderen die Etikettierung eines neuen Virus als Covid-19 und Ausrufung einer Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation WHO am 11. März 2020. Die Ausstellung beschäftigt sich mit den Fragen, was es wohl für das Anthropozän bedeuten mag, wenn Dämpfung dieser globalen Pandemie Mobilitätsverzichte, Einschränkungen des sozio-kulturelen Lebens und wirtschaftlichen Handels erfordert. Wie können Künstler die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und Umweltbelange mit ihren Mitteln reflektieren und darstellen, und wie können soziale Distanzierung und Quarantäne künstlerische Praktiken und Narrative über die Ökologie verändern?
Barcelona: Konzert für das Biözän
Nach der Corona-Pause gab es ein „Concierto para el bioceno“ im größten Opernhaus von Barcelona, dem Gran Teatre del Liceu. Ein Streichquartett spielte Variationen von Giacomo Puccinis „Crisantemi“. Auf den Publikumsrängen saßen jedoch keine Musikfans, sondern 2.292 Topf- und Zimmerpflanzen. Initiator dieses Konzerts war der spanische Maler und Konzeptkünstler Eugenio Ampudia, der mit seiner Aktion für mehr Artenschutz werben wollte. „Die Pflanzen sollen anschließend – jede mit einer Bescheinigung des Künstlers – Mitarbeitern des Gesundheitswesens als Dank für ihre aufopfernde Arbeit während des Höhepunkts der Corona-Pandemie geschenkt werden“, berichtete SWR2.
Steirischer Herbst: Paranoia TV
Eine „experimentelle Neuinterpretation des Festivals“ kündigen die Macher des diesjährigen steirischen herbst (24. September bis 18. Oktober 2020) an. Mirela Baciak, Ekaterina Degot (Intendantin und Chefkuratorin), Henriette Gallus, Dominik Müller, Christoph Platz sowie David Riff kuratieren ein Programm unter dem Stichwort „Paranoia TV“. „Die Angst vor einer zweiten“ Covid19-Infektionswelle „fördert eine Abscheu vor öffentlichen Räumen – und vor dem Atem potenziell ansteckender Fremder. Noch grundlegender aber ist die Angst vor uns selbst … Offensichtlich ist das Virus nicht schuld an Fremdenfeindlichkeit, an einem als hygienische Norm getarnten Rassismus, an allgegenwärtiger Überwachung und an radikaler Ungleichheit. All das war bereits ,normal‘, und es ist diese ,Normalität‘, die das Virus hervorgebracht hat – und die wir fürchten sollten. Anstatt diese Themen zu verdrängen, setzt sich der steirische herbst direkt mit ihnen auseinander, indem er sich als Medienkonzern neu erfindet. Paranoia TV nennt sich der Kanal für das Unheimliche und Beunruhigende …“ Auf der Website werden Talkshows, Fernsehserien und Live-Gespräche ausgestrahlt. Aufgelistet sind künstlerische Beiträge von u. a. Lawrence Abu Hamdan, Akinbode Akinbiyi, Jérôme Bel, Neïl Beloufa, Pauline Curnier Jardin und Hito Steyerl.
App zum Kunstprojekt NRWskulptur
700 Werke an Kunst im öffentlichen Raum Nordrhein-Westfalens präsentiert ab sofort die neue NRWskulptur-App, die das Kultursekretariat NRW Gütersloh veröffentlicht hat. Die App wendet sich an Kunstinteressierte, Touristen und (Rad-)Wanderer und lädt dazu ein, den Skulpturen auf öffentlichen Plätzen und in Parks mehr Beachtung zu schenken. Die App konzentriert sich auf Kunst nach 1945 und bündelt die Stationen zu einem digitalen Wegweiser „mit konkreten Routenvorschlägen von Skulptur zu Skulptur. Neue Kunstwerke, informative Inhalte sowie der technische Funktionsumfang werden fortlaufend ergänzt. Jedes Jahr kommt ein neuer Schwerpunkt hinzu. Für 2020 ist das die Region Aachen.“
Eat Art-Ausstellung im Ausstellungshaus Spoerri
Nach zweimonatiger Zwangspause ist das Ausstellungshaus Spoerri in Hadersdorf am Kamp (Österreich) jetzt wieder öffentlich zugänglich. Zum 90. Geburtstag des Künstlers widmet sich die aktuelle Ausstellung der Eat Art, die Daniel Spoerri in den 1960er Jahren begründet hat. Spoerri hat Tischsituationen mit benutzten Tellern und Gläsern, vollen Aschenbechern, leeren Getränkeflaschen und zerknüllten Servietten als „Fallenbild“ eingefroren. Die Ausstellung wird von einer Reihe Eat Art-Bankette im Saal über diesem Lokal begleitet.
Anmeldung unter:
Ars Electronica: 120 neue Orte
Vom 9. bis 13. September findet die Ars Electronica 2020 statt. Diesmal allerdings nicht nur in Linz, denn die Gesundheitskrise lässt derzeit keinen Veranstaltungsmarathon mit einem Publikum von insgesamt 100.000 Personen zu. Daher hat der Festival-Leiter Gerfried Stocker das Programm in diesem Herbst auf „weitere 120 Orte weltweit“ ausgedehnt: „Wir wollen und können nicht akzeptieren, dass uns diese Pandemie nötigt, all das, was unsere pluralistische Gesellschaft ausmacht, einfach auszusetzen …“ Daher „dürfen wir nicht einfach zuhause bleiben, sondern müssen aktiv und kreativ darangehen, neue Formen des Dialogs und Austausches zu erproben.“ So ist denn die diesjährige Ars Electronica als „eine Reise zur Vermessung der ,neuen‘ Welt“ etikettiert. „Im Verlauf dieser Reise werden die wichtigen Fragen unserer Zeit diskutiert, Fragen, die durch die globale Corona-Krise aufgeworfen werden, und es wird beraten, was wir jetzt tun können und tun müssen.“ Das metaphorische Leitmotiv des Festivals heißt „In Kepler’s Gardens“ – das ist der Campus der Johannes Kepler Universität Linz als einer der Schauplätze dieser Reise.
Chemnitz: Gegenwarten
Sarah Sigmund und Prof. Dr. Florian Matzner kuratieren für die Kunstsammlungen Chemnitz das Projekt „Gegenwarten“. Es findet vom 15. August bis zum 25. Oktober 2020 im öffentlichen Raum der Stadt statt. 21 künstlerische Beiträge reflektieren die „architektonischen, historischen und urbanen Bedingungen der Stadt“, diskutieren „aber auch aktuelle gesellschaftspolitische Fragestellungen kritisch“. Eine zentrale Rolle spielen die „Themenfelder Ökonomien und Ökologien, Räume und Transformationen, Bewegungen und Migrationen, Demokratien und Regressionen als auch Arbeitswelten und Lebensräume“. Beteiligt sind u. a. Nadja Buttendorf, Chişa & Lucia Tkáčová, Mischa Kuball, Philip Metz, Henrike Naumann und Olaf Nicolai.