Leipzig
Clemens von Wedemeyer
Mehrheiten
Galerie für Zeitgenössische Kunst 13.07. – 17.11.2019
von Sabine Maria Schmidt
Es ist ein klar gegliedeter Parcours, der die Besucher durch die Ausstellung „Mehrheiten“ von Clemens von Wedemeyer führt. Fast alle Installationen sind eigens auf die Architektur des Neubaus der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig zugeschnitten. Bereits von außen sichtbar erweitert eine große Fotomontage den Ausstellungstitel: „Mehrheiten – Widerstand gegen eine Bedrohung außerhalb des Bildes“, heißt ihr Titel. Sie zeigt eine Menschenkette, aufgenommen in einem Park, die sich vor bzw. in das Innere des Gebäudes schlängelt; eine Choreographie einer Gruppe, die im Foto durch das Glas der Architektur gespiegelt ist. Es ist ein schönes Bild: Menschen, die sich an den Händen fassen. Zugleich verwirren die unterschiedlichen Gesten und Blicke der Personen, Situation und Bild sind nicht eindeutig zu entschlüsseln. Alles könnte sich auch ganz anders entwickeln. Dabeisein, dazugehören oder lieber abseits bleiben und nicht dem Sog folgen?
Seit langem beschäftigt sich der Fotograf und Filmemacher Clemens von Wedemeyer mit Elias Canettis berühmter Schrift „Masse und Macht“, erschienen 1960. „Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes. […] Es ist die Masse allein, in der der Mensch von seiner Berührungsfurcht erlöst werden kann“; behauptet Canetti. „Nur wenn der Mensch in der Masse aufgeht, sich auf allen Seiten von anderen umgeben weiß, fühlt er sich aufgehoben. Es gibt offene und geschlossene Massen, nicht zu vergessen die ,unsichtbaren‘. Allen eigen ist die Tendenz zu ungeregeltem Wachstum.“
Im Canetti-Archiv in der Züricher Zentralbibliothek hatte Clemens von Wedemeyer nach Handschriften und Skizzen…