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Eine Geschichte der Kunstentwicklung in Ostdeutschland
von Oliver Zybok
I. DIE SPALTUNG
Die Geschichte der Kunst der DDR ist in mannigfaltigen Publikationen und Ausstellungen in den vergangenen dreißig Jahren aufgearbeitet worden.1 Die im folgenden Beitrag erörterten historischen Begebenheiten zeugen nicht von einem grundsätzlich neuen Erkenntnisstand, sondern geben vielmehr einen Status quo wieder. Sie zeigen eine historische Entwicklungslinie von der sowjetischen Besatzungszeit über die DDR bis zur Gegenwart in Ostdeutschland auf. Im Folgenden wird diese Entwicklungslinie in Kontexte gestellt, die andere Sichtweisen offenlegen. Eine umfassende Geschichte der Kunst in Ostdeutschland – nach dem Mauerfall hat sie nicht nur mit der Neuen Leipziger Schule einen großen Einfluss auf internationale Entwicklungen ausgeübt, – die die Kunstgeschichte der DDR mit den Ereignissen nach 1989 verknüpft, steht noch aus. Der vorliegende Beitrag, der nicht den Anspruch auf Vollständigkeit der Protagonisten und Ereignisse erhebt, zeigt beispielhaft auf, dass die Kunst in Ostdeutschland seit 1945 nicht losgelöst von internationalen Begebenheit betrachtet werden kann, obwohl hier durch ideologische Infiltrierung im Vergleich zum Westen, eine ungehinderte Auseinandersetzung nur schwer möglich war. Vielmehr offenbart die Kunst in Ostdeutschland nach 1945 Phänomene und Ereignisse, die unbedingt gleichberechtigt neben anderen internationalen Entwicklungen zu betrachten sind. Sie hat ähnliche, der Zeit, in der sie entstand, entsprechende, aber aufgrund der zugrunde liegenden Ursprünge auch divergierende Bedürfnisse und Hoffnungen artikuliert. Der Schwerpunkt auf Malerei in diesem Beitrag liegt in der Tatsache begründet, dass sich an ihr bis in die Gegenwart hauptsächlich die ideologischen Grabenkämpfe verorten lassen.
Nach den verheerenden Auswirkungen der Zeit des Nationalsozialismus und des…