Stuttgart
Ragnar Kjartansson
Scheize – Liebe – Sehnsucht
Kunstmuseum Stuttgart 20.07. – 20.10.2019
von Heinz Schütz
Im Mai dieses Jahres starb im Alter von 79 Jahren die New Yorker Performance-Pionierin Carolee Schneemann. Ragnar Kjartansson – er wurde 1976 in Reykjavik geboren – widmete ihr seine auch in der Stuttgarter Retrospektive eingerichtete Video installation Death is Elsewhere. Bereits vor einigen Jahren rekurrierte in der Tate Modern mit Variation on Meat Joy auf ein Happening Schneemanns. Deutlich wurde hier wie Kjartansson performative Traditionen fortsetzt und gleichzeitig mit ihnen bricht. Mit Meat Joy hatte Schneemann ein orgiastisches Ritual mit toten Hühnern, Fischen Würsten und halbnackten Körpern zelebriert, Kjartansson inszeniert sein „Remake“ in einer Rokokokulisse mit Damen und Herren im Rokoko-Outfit, die jeweils in unendlicher Langsamkeit ein Steak verzehren. Das kritisch Aufrührerische der klassischen Performance wurde hier zur theatralischen Inszenierung reglementierten Verhaltens, was, nach dem sich die Revolte institutionalisiert hat, wie ein kunstimmanenter Tabubruch erscheinen mag, wie denn auch Kjartansson, im Gegensatz zum „Behaviorismus“ der klassischen Performance immer wieder auf einer romantizistisch angehauchten, vom Weltschmerz geprägten Gefühlsklaviatur spielt und damit Emotionen ins Spiel bringt.
Wie entscheidend das Performative für Kjartanssons Arbeit ist, zeigt sich in seiner Malerei. Betrachtet man die wie von einem Montmartre-Maler des letzten Jahrhunderts gemalten, banalen Bilder von Wohnhäusern, dann erhält der Titel Architecture and Morailty erst seinen Sinn, wenn man in Betracht zieht, dass der Künstler hier als Pleinair-Maler vor den Häusern auf hochpolitisch umkämpften Terrain israelischer Siedlungen sitzt. Er verhält sich hier wie das Klischee eines autonomen Malers, der den Kontext ausblendet, um…