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Kommentar · von Michael Hübl · S. 184 - 187
Kommentar ,

Protz und Pranger

Einige Anmerkungen zur Ersteigerung des Gemäldes „Der Anbräuner“ von Neo Rauch
von Michael Hübl

Ein Mann sieht rot – und malt braun: So knapp lässt sich die Entstehung eines Gemäldes zusammenfassen, mit dem Neo Rauch auf einen Text des Kulturwissenschaftlers und Zeitgeist-Analytikers Wolfgang Ullrich reagierte. Pinsel contra Prosa. Zur Rekapitulation: Ullrich hatte sich mit dem Autonomiebegriff in der Kunst und mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass neuerdings „rechts gesinnte Künstler als Verteidiger der Kunstfreiheit“1 auftreten. Dabei war er in seinem Essay zu der Erkenntnis gelangt, „ Motive rechten Denkens“ fänden sich „selbst bei berühmteren Künstlern, allen voran bei Neo Rauch.“2 Der Text stimulierte den Hauptexponenten der Neuen Leipziger Schule zu einer Replik – gemalt, statt in Worte gemeißelt, aber offenbar doch von einem ähnlich drangvollen Furor angetrieben wie bei einem, der Schmähverse schmiedet oder an einem zernichtenden Pamphlet feilt. So entstand Der Anbräuner. Gelangte in eine Golfer-Gala mit Moderatoren-Prominenz wie dem Schlagersänger Florian Silbereisen oder dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner. Wurde als Benefiz-Gabe des Künstlers für gute Zwecke versteigert. Brachte 750.000 Euro und sollte zu einer Art Provokationsikone aufgewertet werden: Unmittelbar nach der Auktion kam die Nachricht in Umlauf, das Werk werde dereinst im Foyer eines im Herbst 2019 zu gründenden Vereins seinen deutlich sichtbaren Platz finden.3 Das Szenario würde perfekt zur plakativen Aufwertung einer Großbedürfnisanstalt mit Kunst-Appeal passen. Im Entrée, noch bevor man sich an einem der nach Geschlecht diversifizierenden Drehkreuze seiner Gebührenpflicht entledigt hat, das Bild eines Mannes mit halb heruntergelassener Hose, der in nachgerade akrobatischer Haltung vor einer…

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