Fotografie in stillgestellter Zeit
von Christoph Tannert
Dafür, dass in der DDR der Mangel herrschte, gab es vergleichsweise viele Fotografinnen und Fotografen (hobbymäßig oder professionell aktiv), Betriebsfotogruppen, Fotozirkel, fotografische Lehranstalten, Fachverbände, zentrale Fotowettbewerbe, Leistungsschauen bei den Arbeiterfestspielen, Ausstellungen, Foto-Bücher usw. usf.
Die DDR war ein Land der Fotografie. Fotografie und Propaganda für den Sozialismus gingen Hand in Hand. Fotojournalisten begleiteten jeden noch so kleinen Erfolg bei der Schaffung sozialistischer Persönlichkeiten, sie lichteten Bestarbeiter *innen ab, kämpften mit beim Fußball und bei Spartakiaden, waren dabei, wenn die jährlichen Ernteschlachten geschlagen wurden und Kumpel in die Bergwerke einfuhren, Klassen- und Waffenbrüder ins Manöver zogen und natürlich, wenn Partei und Staatsführung überall im Land ihre Jubelfeiern abhielten.
Es war aber weniger die kritische Kommunikation, die die Werktätigen des Arbeiter- und Bauernstaates zur Kamera greifen ließen, sondern einfach die Lust am Bild, um besonders emotionale Lebensmomente festzuhalten. Kinder- und Familienbilder, Akt- und Porträtfotografie, die Dokumentation von Urlaub, Freizeitvergnügen und Partyverhalten, Mode, Landschaft, Natur, Architektur standen hoch im Kurs. Nur militärische Anlagen, insbesondere „die Mauer“, im offiziellen Sprachgebrauch „Anti faschistischer Schutzwall“ genannt, waren tabu. Werbung spielte so gut wie keine Rolle. Wofür sollte auch geworben werden, außer für die Führer der Weltrevolution und die Heiligen des Marxismus-Leninismus. Es gab einfach nichts, was nicht rationiert war. Sogar Toilettenpapier und Zahnpasta kaufte der erfahrene DDR-Bürger auf Vorrat.
Der übergroße Teil der Bürger war dennoch einigermaßen zufrieden mit der Komfortzone, die die Diktatur des Proletariats jedem Einzelnen zubilligte und lebte gern in der DDR, auch ohne Bananen und Urlaub auf Mallorca.Erst Glasnost und…