Fest und Spektakel
Eine Strand-Oper im Zeichen der Apokalypse
Der Gewinner des Goldenen Löwen der 58. Biennale Venedig, der Litauische Pavillon, unterstreicht einmal mehr die herausragende Rolle des Performativen in der zeitgenössischen Kunst – der Versuch einer Einordnung
von Max Glauner
I. AKT PRÄLUDIUM – JOAN JONAS
Mitten in der Nacht, kurz vor elf. Der nur spärlich beleuchtete Campo San Lorenzo brummt wie ein Bienenstock. Der sonst wenig besuchte Platz vor der modernistisch anmutenden frühbarocken Ziegelsteinfassade ist eine Bühne. Sie versammelt jetzt, einen Abend vor dem offiziellen ersten Rundgang der 58. Biennale Venedig, eine eine illustre Schar Kunsthungriger quer durch alle Altersgruppen. Die Portale der seit langem profanierten Kirche des Benediktinerinnenstifts zum Heiligen Laurentius sind noch geschlossen. So wartet die Versammlung auf der Freitreppe geduldig heiter schwatzend auf das, was da kommen möge. Treibt sie die Ahnung, dass mit der Performance Moving Off the Land II der mittlerweile dreiundachtzigjährigen Joan Jonas ein Venedig-Highlight der Sonderklasse angesetzt war, bevor diese Biennale überhaupt eröffnet hatte?
Einiges spricht dafür. Die Ausnahmekünstlerin selbst wird auftreten, zwei Stunden lang auf einer improvisierten Bühne, unterstützt lediglich von einer Musikerin am Laptop und einem Performer. Das besitzt Kultstatus. Und der wird zelebriert wie zu Großzeiten der Serenissima: Was Geld und Namen hat, sitzt in den ersten Reihen; die Mäzenin des Abends Francesca von Habsburg, Maja Hoffmann nebst Mann und Entourage.
Mit der 56. Biennale von Okwui Enwezor war man in Venedig endgültig und auf großem Fuß ins post-performative Zeitalter eingezogen. Das war 2015. Und Joan Jonas, ungekrönte Königin der performativ bespielten Videoinstallation, stellte…