Edgar Schmitz
Gerhard Richter: 4900 Colours
»Versuchsanordnungen«
Serpentine Gallery, London, 23.9. – 16.11.2008
Erstmal kommt das ganze sehr mathematisch daher. Die 4900 Farben, die Richter in der Serpentine angeordnet hat, setzen sich aus 49 Tafeln mit je einhundert Farbfeldern zusammen, die wiederum aus vier Tafeln mit je 25 Feldern bestehen und sich immer wieder auch ganz anders anordnen ließen: in noch kleinere Splitter aufgeteilt, als an- oder absteigende Aufreihungen, oder einfach als ein großes Feld, das dann fast siebzig Quadratmeter Fläche füllen würde. Hier sind sie so angeordnet, dass jede Beschreibung der Arbeit (oder vielmehr dieser Fassung der Arbeit, sie ist überall als Version II ausgewiesen), erstmal Strenge zu signalisieren scheint: immer wieder die gleiche Viereranordnung und alle Farbverteilungen so vom Computer durchgerechnet, dass sich aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz keine sinnanzeigenden Muster ergeben, sich nirgendwo Sichtbarkeitsreste einschreiben. Alles ist in seiner prozeduralen Logik derart deutlich und lesbar, dass auch noch die sonst doch immer so dominante Räumlichkeit der Serpentinesäle und ihrer naturgetränkten Aufladungen ganz in den Hintergrund tritt. Ob das als technifizierte Indifferenz im Zusammenhang nachmalerischer Gesten auftritt oder gar als elegante Hängungsübung, ist dabei aber letztlich nebensächlich.
Seit dem Ende von Abstraktion als sinnstiftender Malereisprachlichkeit, an dem gerade Richter ja so sehr mitgemalt hat, sind ähnliche Arbeiten, auch aber nicht nur seine, immer wieder gegen phänomenologische und/oder metaphysische Kunstdimensionen angeführt worden. Und auch die Arbeiten der 4900 Colours Serie sind als ernüchterte Bestandsaufnahmen zu verstehen, die dieses Erbe aufgreifen, unter Rückbezug auf den historischen Entzauberungsmoment der malerischen Nachkriegsmoderne validieren und diesen damit…