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KUNSTFORUM-Serie: 100 Jahre Joseph Beuys · von Ingo Arend · S. 300 - 303
KUNSTFORUM-Serie: 100 Jahre Joseph Beuys ,

KUNSTFORUM-Serie: 100 Jahre Joseph Beuys
Katalysator der Ökonomie

Jeder Mensch ist ein Künstler. Das Prinzip der Kreativität, das Joseph Beuys mit seinem Schlachtruf propagierte, hat inzwischen der Postfordismus gekapert.
von Ingo Arend

Ein Edelstahlbehälter, gefüllt mit 150 Kilogramm Honig. Von dem Gefäß transportierte eine Lebensmittelpumpe die Flüssigkeit durch eine verzinkte Steigleitung 18 Meter in die Höhen des Kasseler Museums Fridericianum. Von dort gelangte die Flüssigkeit durch 174 Meter Schläuche und Röhren wieder zurück in den Kessel am Boden. Neben diesem stand ein Elektromotor, dessen Kurbelwellen in 100 Kilo Margarine rotierten. Die Besucher*innen konnten die Arbeit nicht betreten, sondern nur von oben einsehen. Wer 1977 die „Documenta 6“ in Kassel besuchte, schwärmt noch heute von dem bizarren Anblick. Joseph Beuys hat viele herausragende Installationen geschaffen, doch wie keine andere ist die „Honigpumpe am Arbeitsplatz“, die er vor 44 Jahren in der Rotunde des Fridericianum installierte, zu einer Ikone der Kunstgeschichte avanciert, die neben Leonardos Mona Lisa oder Tatlins Monument der Dritten Internationale steht. Wie in einem Brennglas zeigt die Arbeit, deren Bestandteile heute im Louisiana Kunst-Museum wie ein uneingelöstes Versprechen stehen, die Licht- und Schattenseiten der Kunst des Mannes, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird: die Idee einer neuen Gesellschaftsordnung, symbolisiert im geschlossenen Kreislauf der Flüssigkeiten.

Als vor zehn Jahren der 90. Geburtstag des großen Schamanen gefeiert wurde, präsentierten die Museen landauf, landab den Formalisten Beuys. Zehn Jahre nach diesem Begräbnis erster Klasse soll nun wieder das Gesellschaftskraftwerk angeworfen werden, das dieser Mann, der sich nach eigenem Bekunden durch „Kraftvergeudung“ ernährte, ungefähr…

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