Baden-Baden
Körper. Blicke. Macht.
Eine Kulturgeschichte des Bades
Kunsthalle Baden-Baden 07.03.– 21.06.2020
von Hans-Dieter Fronz
Plötzlich ist da dieser Riesenpimmel. Monumental baumelt er einem direkt vor der Nase, etwas oberhalb der Augenhöhe; und das, obwohl man gerade keineswegs sitzt oder liegt. Wir sind in Baden-Baden: in einem Bad, wo sonst in der mondänen Kur- und Bäderstadt, in der es von Badeeinrichtungen nur so wimmelt, angefangen mit den römischen Thermen, die der Kaiser Caracalla zu Beginn des dritten Jahrhunderts erbauen ließ. Um genau zu sein, befinden wir uns in einem Dampfbad, noch präziser: mitten in der Mehrkanal-Videoinstallation „Laznia“ (dt. Badehaus) von Katarzyna Kozyra. Wir sind umgeben von über Kopf postierten großformatigen Screens. Wir sind, fast buchstäblich, mitten in einem Dampfbad in Budapest.
Dort hatte die polnische Künstlerin 1997 eine versteckte Kamera platziert. Um auch in den Männerbereich zu gelangen, ließ sie von einer Maskenbildnerin ihr Äußeres ins Maskuline verändern. Das bemerkenswerte Ergebnis ihrer Feldforschung im (Bade-)Alltag: Während die Frauen ungezwungen miteinander kommunizierten, legten die Männer mit ihrer Kleidung keineswegs auch ihren sozialen Habitus ab. In Gesten und Posen hielten sie männliches Imponiergehabe, wie es auch in anderen Werken dieser Ausstellung zu bestaunen ist, aufrecht. – Der Riesenpimmel verdankt sich übrigens einem perspektivischen Blow-up-Effekt: Sekundenlang kam einer der Badenden der Kamera mit seinem Gemächte sehr nah.
Kozyras Videoinstallation ist Teil der Ausstellung „Körper. Blicke. Macht“ der Kunsthalle Baden-Baden. Für den Besucher wird in ihr das Thema der Schau so lebendig und erlebensnah wie vielleicht in keiner anderen Arbeit. Gegenstand der Präsentation sind der Kulturen und Menschheitsepochen übergreifende,…