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Rainer Metzger Folge 37
In den Hirnen der Museumsdirektionen in Wien spukt, deutlicher noch als in anderen Kunstbetriebshauptstädten, der Blockbuster. Überall und besonders, wo man ihn nicht vermutet, macht er sich geltend. Da versucht sich das Kunsthistorische Museum an Lucian Freud, die österreichische Galerie im Belvedere an Ai Weiwei oder die Albertina, immerhin die weltweit größte Grafiksammlung, an der Malerei des Pointillismus. Was tut man nicht alles für die anvisierten Millionen. Die Ausstellung indes, die mit mehr als 600.000 Besuchern die diesbezüglich immer noch erfolgreichste gewesen ist, wurde vom kreuzseriösen Historischen Museum der Stadt veranstaltet, fand im heute längst im Dauerschlaf befindlichen Künstlerhaus statt, datiert zurück auf das Jahr 1985, wurde, so viel Zeitkolorit musste sein, vom Lokalmatadoren, Memphis-Mitglied und Star-Entwerfer Hans Hollein gestaltet und widmete sich unter dem sehr gängigen und letztlich für alles brauchbaren Titel „Traum und Wirklichkeit“ dem Wien um 1900. Was heute Auktionsrekorde schreibt, wurde damals inauguriert. Diese Jahrhundertwende boomt, das haben auch die einschlägigen Häuser vor Ort im Kopf. 2012, als Gustav Klimt 150 Jahre alt wurde, hat schier jedes von ihnen eine Facette des goldenen Meisters hervorgezogen. 2018, wenn sich die Todestage von Klimt, von Egon Schiele, dem Jung-Genie, von Otto Wagner, dem Architekten, und von Kolo Moser, dem Gesamtkunstwerker, zum hundertsten Mal jähren, wird es wieder so sein.
Der Topos „Wien um 1900“ war von Anfang an ein internationales Phänomen, auch wenn er den ortsüblichen Narzissmus, der immerhin hier erfunden wurde, perfekt bedient. Die „Traum und Wirklichkeit“ - Schau sollte von Anfang an ausstrahlen, so ins Centre…