Ästhetische Transfers
Strasse und Vandalismus als visueller und lärmender Einfluss
von Larissa Kikol
Der Wunsch, Leben und Kunst zu verbinden, ist nicht neu. Die Romantiker*innen hatten ihn ebenso wie, die modernen Avantgardist*innen oder auch die Fluxuskünstler*innen. Es wurden außerdem Wege ins Design, in die Mode, in die Popwelt, den Konsum oder in die Wissenschaft gewählt. Ein anderer Weg führte auf die Straße. Denn was auf der Straße passiert, passiert nicht im Atelier. Es sind Gegenwelten, die konträrer nicht sein könnten. Gerade Zerstörung, Unruhen, Graffiti, illegales Eingreifen und jugendlicher Eifer sind urbane Street-Ressourcen. Dass Künstler*innen immer wieder schauen, was auf den Verkehrsrouten und öffentlichen Plätzen geschieht, hat viele Gründe. Die Adaptionen basieren auf Ästhetik und Aura. Doch was genau reizt daran?
Die Straße als begehrter Sehnsuchtsort fand in den 1960er Jahren einen Höhepunkt, und brachte damit die institutionelle Kunst in eine Bredouille. Der Kritiker Michel Ragon schrieb: Museumskunst „steht außerhalb der Zeit. Man stattet ihr Besuche ab. Sie zählt nicht zu dem, was die Stadt aktiv umgibt. Es handelt sich um eine Kunst der Vergangenheit. Selbst ein Bild, das einen Abend zuvor gemalt wurde, wird allein durch die Tatsache, daß man es in einem Museum ausstellt, dem täglichen Leben ebenso sehr entfremdet wie etwa ein sumerisches Werk. Es wird dem Leben entzogen […].“1
Und auch wenn wir heute nicht mehr die direkte Hitze der Mai-Revolte 1968 und der Aufstände im Zeichen der Nachkriegszeit miterleben, bleibt ein leichter, aschiger Schatten erhalten, von dieser Kritik, die nicht nur von Ragon konstatiert wurde: Das Atelier und die Institution…