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Nachrichtenforum: Aktionen und Projekte · von Jürgen Raap · S. 332
Nachrichtenforum: Aktionen und Projekte ,

Aktionen und Projekte

MASKULINITÄTEN

„Maskulinitäten“ ist ein Recherche- und Ausstellungsprojekt der Kunstvereine in Bonn, Köln und Düsseldorf unter der Leitung ihrer drei Direktorinnen. Bis zum 24. November 2019 zeigen die drei Institutionen Werke von u. a. Vito Acconci, Lutz Bacher, Alexandra Bircken und Enrico David. Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Frage, „wie eine feministische Ausstellung über Männlichkeit aussehen könnte“. Gender-Forschende begreifen in der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion „Maskulinitäten“ als Ausdruck einer „Krisenfigur Mann“ und konstatieren, dass dieser Begriff zumindest in den westlichen Gesellschaften seine strenge kategoriale Gültigkeit verloren habe, da hier die Grenzen zwischen den Geschlechtern diffundieren. Um sowohl kunsttheoretischen als auch gesellschaftspolitischen Fragestellungen möglichst umfangreich nachzukommen, wurden für die einzelnen Kunstvereine unterschiedliche Kapitel im Hinblick auf das „Thema Männlichkeit zusammengestellt, die sich an der Ausstellungsgeschichte der jeweiligen Häuser orientieren.“ Es werden künstlerische Positionen unterschiedlicher Generationen und kultureller Kontexte, unter ihnen eine Reihe von Neuproduktionen vorgestellt.www.kulturstiftung-des-bundes.de
www.bonner-kunstverein.de
www.kunstverein-duesseldorf.de
www.koelnischerkunstverein.de

STEIRISCHER HERBST

Der Steirische Herbst vom 19. Sept. bis zum 13. Oktober 2019 in Graz steht in diesem Jahr unter dem Motto „Grand Hotel Abyss“ (Grand Hotel Abgrund) – dies ist für die Organisatoren „eine schlagende Metapher, die der Philosoph Georg Lukács prägte. Lukács beschrieb die europäische Szene der Intellektuellen und Kulturschaffenden als ,ein schönes, mit allem Komfort ausgestattetes modernes Hotel am Rande des Abgrunds, des Nichts, der Sinnlosigkeit. Und der tägliche Anblick des Abgrunds, zwischen behaglich genossenen Mahlzeiten oder Kunstproduktionen, kann die Freude an diesem raffinierten Komfort nur erhöhen.‘“ Die Veranstaltungen erstrecken sich vier Wochen lang über die gesamte Stadt mit „Geschichten über die Wohlfühlpolitik des Nationalsozialismus, über sexuelle Praktiken der Zukunft, über die unmögliche Entscheidung zwischen Faschismus und Nationalsozialismus, die Tirol in den 1930er-Jahren aufgezwungen wurde, und über Handelssanktionen für landwirtschaftliche Produkte im heutigen Russland – und es spult vor in eine dystopische Zukunft, in der die bestehenden Kulturinstitutionen der Stadt in Cafés umgewandelt werden.“
www.steirischerherbst.at

IMAI-VIDEOLOUNGE

In Köln betreibt Axel Wirths die Medienagentur „235 Media“, die sich u.a. auf die Konzeption von Medienkunstausstellungen spezialisiert hat. Im Laufe der Jahre wuchs ein umfangreiches Medienkunstarchiv an, zu dessen Bewahrung 2006 die Stiftung imai gegründet wurde. Das imai – inter media art institute – hat seinen Sitz im NRW-Forum Düsseldorf. Dort wurde jetzt eine Videolounge eröffnet, durch die das Archiv „dauerhaft zugänglich“ wird. Interessenten können „in die Videokunstgeschichte von den 1970er Jahren bis heute eintauchen und sie interaktiv erkunden: Infoblätter zu mehr als 1.000 Videos erstrecken sich über die Loungewände und machen das Prinzip des Suchens und Findens physisch erfahrbar. Die Videos können auf bereitstehenden Tablets individuell aufgerufen werden. Bequeme Sitzmöbel laden zum Verweilen ein. Zusätzlich bietet eine App konkrete Suchoptionen an. Die Auswahl an Videos wird ständig ergänzt. Auf der großen Projektionswand werden wechselnde Videoprogramme kuratiert.“

www.stiftung-imai.de

BERLIN: „KOCH / KUNST / GALERIE“

Das Berliner Zagreus-Projekt agiert an der „Schnittstelle von Galerie und gastronomischer Einrichtung“: der Koch Ulrich Krauss ist zugleich Galerist und nennt sein Etablissement mit Kunst und Catering daher „koch / kunst / galerie“. Wer dort ausstellt und künstlerische Arbeiten zeigt, erarbeitet zugleich mit dem kochenden Galeristen „verschiedenste Möglichkeiten der Essenszubereitung, der Präsentation und des Verzehrs … Vom Betreten bis zum Verlassen des Raumes soll der Besucher / Gast einen speziell gestalteten Durchlauf erleben. Die künstlerischen und kulinarischen Konzepte ergänzen sich und sind so aufeinander abgestimmt, dass eine Einheit entsteht. Von alten Rezepturen und herkömmlichen gastronomischen Verfahrensweisen bis zu experimentellen Demonstrationen reicht die Palette der Präsentation von Speisen.“ Bis zum 9. November 2019 zeigt Christina Paetsch dort unter dem Titel „Von Armen und Beinen“ eine Installation aus Objekten, Fotografien und einem Video – „gleich einem Parcours mit Armen und Beinen“. Christina Paetsch arbeitet in ihren Bildern und Installationen bevorzugt mit Lebensmitteln und Dingen, die uns dies suggerieren. Beine von Tieren benutzt sie häufig als bedeutungstragendes Material. Jedoch, die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen. Ob das überquellende tägliche Angebot unserer Supermärkte oder das verloren gegangene Bruchstück auf der Straße – sie greift auch hier Schönheit und Ekel auf, die beiden dicht beieinanderliegenden Schwestern …“
www.zagreus.net

GERHARD RICHTER ERWEITERT „ATLAS“

Seit 1962 hat Gerhard Richter eine Ansammlung aus Bildern zusammengetragen und diese 1965 als „Atlas“ bezeichnet sowie seither kontinuierlich erweitert. Ausgangspunkt sind Zeitungsausschnitte, Fotografien und Skizzen. 1996 wurde der „Atlas“ für die Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München erworben und umfasste damals die Tafeln 1 bis 472 aus den Jahren 1962 bis 1989. Nach mehrfachen Erweiterungen im Laufe der Jahre hat Gerhard Richter das Konvolut im Lenbachhaus jetzt um weitere acht Tafeln ergänzt: „Die acht Tafeln zeigen Entwürfe und Raumskizzen für die Projekte der letzten Jahre: – Entwürfe und Raumskizzen für sein Werk Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel in der Dominikanerkirche in Münster – Materialien zur Entstehungsgeschichte und Bearbeitung des weltweit beachteten Bilderzyklus Birkenau – Entwürfe für die drei Chorfenster für St. Mauritius in Tholey, Saarland“.
www.lenbachhaus.de

KINO IN BEWEGUNG

„Kino in Bewegung“ (KIB) tourt mit einem Filmprogramm durch verschiedene kleinere Orte in Sachsen. Die Initiative von Studierenden und Lehrenden der HGB Leipzig „wendet sich direkt an das regionale Umfeld Leipzigs in Sachsen, um Austausch und Kultur durch Filmvorführungen und Diskussionen zu fördern“. In kleineren Orten, und dies nicht nur in Sachsen, ist die Infrastruktur meistens mangelhaft; denn das nächste Krankenhaus ist oftmals 30 km entfernt, der Bus fährt – wenn überhaupt – nur einmal am Tag, und in Orten unter 50.000 Einwohnern gibt es kein Kino mehr. In Sachsen schlossen in solchen Kleinstädten im vergangenen Jahrzehnt immerhin 19 Prozent aller Kinos. Daher will die KIB-Initiative mit ihrer Kinotournee diese „Kulturform“ erhalten und bietet nach jeder Vorführung eine Diskussionsveranstaltung an „über Haltungen, Bedürfnisse und Werte. ,Kino in Bewegung‘ zielt so auf wechselseitige Entwicklungs- und Veränderungsprozesse ab und agiert aus der Überzeugung, dass dies nur auf der Grundlage unmittelbarer Begegnungen gelingen kann.“ Nächste Stationen: 2. Oktober 2019, 19 Uhr, HGB Galerie (Wächterstraße 11, Leipzig): Drei Filme von Jürgen Böttcher, Drei von Vielen (Jürgen Böttcher, DDR 1961, 34 Min.); 11.–20. Oktober 2019: Olbernhau.
www.hgb-leipzig.de

GERNICA SKY PIECE

Am 26. April 1937 führten deutsche Kampfflugzeuge der Legion Condor einen Luftangriff auf die baskische Stadt Gernica durch (damalige Schreibweise auf Spanisch „Guerica“, so auch der Titel des berühmten Bildes von Pablo Picasso). Die schutzlose Stadt wurde durch diesen verheerenden Angriff völlig zerstört; die damalige baskische Regierung zählte 1654 Tote und 889 Verletzte. Am 21. September 2019 will Michael Klant zum Internationalen Friedenstag der UNO einen Flug über das Baskenland durchführen über Gernica ein Banner abwerfen. „Für mich gibt es bei diesem Projekt eine sehr persönliche Dimension, da mein Vater als junger Mann Soldat der Artillerie in der Legion Condor war, die General Franco im Spanischen Bürgerkrieg bei seinem Putsch gegen die republikanische Regierung unterstützte“, erklärt der Künstler zu seinem Projekt „Himmelstausch Gernika Berlin“. Im Frühjahr 2019 malte er mit einem Team den Himmel von Gernica in den Berliner BBK-Werkstätten und führte anschließend einen Flug mit dem bemalten Banner über Berlin durch. In der zweiten Projektphase beteiligte Klant in Gernica die Enkel der Opfer des damaligen Bombardements am Bemalen des zweiten Banners mit einem „Berlin-Himmel“. Auch dieses Banner wird dann während der Flug-Aktion abgeworfen: „Der Himmel stürzt zu Boden“.

 

BAUHAUS UND DIE BERGSTRASSE

„Bauhaus und die Bergstraße“ nennt sich ein Projekt, das vom 7. 9. bis 2. 11. 2019 in Zwingenberg stattfindet. Damit will man die „Region und ihr kreatives Potenzial“ in den Mittelpunkt stellen. Dazu organisiert z. B. Bettina Riehl vom Geschichtsverein Zwingenberg Spaziergänge durch den Ort; außerdem sind Fotoausstellungen angekündigt und eine Lichtinstallation der Künstlerin Helga Griffith mit dem Titel „Moving Mitosis“. Dabei verknüpft sie wissenschaftliche Aufnahmen von der Zell teilung mit einer Tanzperformance.
www.brain-biotech.com

KUNSTDIEBSTAHLSAKTION IN LEIPZIG

„Tatort Kunst“. In den 1990er Jahren stellte der Künstler Ralph Bageritz seine Beute aus Ladendiebstählen in der Kölner Galerie Maximilian Krips aus. Als er auch Straßenpoller entwendete, zeigte ihn der Oberstadtdirektor wegen Diebstahls an und das Gericht verurteilte den Künstler dazu, anstelle einer Geldstrafe bezahlen zu müssen stattdessen dem Kölnischen Stadtmuseum eine seiner Arbeiten zu überlassen. Nun forderten auch die Künstler Jacob Ott (Freiburg) und Johannes Willi (Basel) in Leipzig zum Diebstahl auf: wer am Neustädter Markt wohnt oder dort den „Kunstraum Ideal“ frequentiert, sollte „Gegenstände aus ihrer Umgebung … stehlen und als Diebesgut in das eingerichtete Archiv bringen. Die gestohlenen Objekte werden verzeichnet, ausgestellt und auf der Webseite www.spekulativerbesitz.com veröffentlicht. „Weil das Stehlen im Rahmen eines kollektiven Prozesses erfolgt, werden Vorstellungen von Freiheit und Vertrauen herausgefordert und Ethiken des Besitzes hinterfragt. Dazu gehört auch das Zurückgeben.“

 

MORE WORLD-KONGRESS

Die Heinrich Böll-Stiftung führt vom 10. bis zum 12. 10. 2019 im Berliner Zentrum für Kunst und Urbanistik einen Kongress zum Thema „More World – Klimawandel bekämpfen!“ durch. Dabei geht es nicht nur um den Klimawandel an sich, sondern ebenso um Fragen der Migration und der Digitalisierung, denn diese drei Bereiche hängen ja eng zusammen – ein erheblicher Teil der globalen Migration umfasst Klimaflüchtlinge, und die Digitalisierung ist mit einem Ressourcenverbrauch verbunden: so stellte z. B. der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) in einem Report für die Bundesregierung fest, dass Digitalisierungprozesse „nicht nachhaltige Trends“ durch „Übernutzung natürlicher Ressourcen“ beschleunigen. Zu diesem Themenkomplex behandelt der Kongress Praxisbeispiele aus 25 Ländern. Zwei „theatrale Performances“ begleiten die Veranstaltung. Falko Hennig erforscht in seiner Stadt-Performance die Umgebung des Zentrums für Kunst und Urbanistik, und Pepe Dayaw ist mit einer Koch-Performance als Ausdruck einer gemeinschaftsstiftenden „Commons- Cuisine“ beteiligt.
www.zku-berlin.org