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Zeichnen zur Zeit X · von Reinhard Ermen · S. 198 - 201
Zeichnen zur Zeit X ,

Bethan Huws

Was für eine schöne Schrift. Leicht in die Kursive geneigt, scheint sie den Gedanken hinterher zu eilen und trotzdem bedient sie sich der durchaus feierlichen Versalien; gewiss um der besseren Lesbarkeit willen. Wenn es ganz schnell gehen muss, mixt sie intuitiv große und kleine Buchstaben. Gelegentlich muss man aber doch genau hinsehen oder hinhören, wie bei einem Gegenüber, das mit einer eigenen dialektalen Farbe spricht. Die schöne Schrift der Bethan Huws stellt sich nicht aus, sie ist eingebunden in ihr intellektuelles Verweissystem, sie leistet Vermittlungsarbeit im Rahmen eines Konzepts, das in diesem Zusammenhang als Zeichnung gesehen werden soll; etwa in ihrer monumentalen Arbeit „Reading Duchamp“, eine Recherche von 2007 bis 2014, deren „notes“ in Buchform, also in mehr als 600 Bild-Text-Montagetafeln vorliegen. LESEN heißt Ausdeuten, auch Vorlesen (deshalb: Hinhören!), diese pictural-linguistischen Essays suchen eine eigene Sprache für ein weit verzweigtes, partiell enigmatisch anmutendes System. Hans Rudolf Reust spricht vom „Pluriversum Duchamp“.

Huws erstellt ihren „Atlas“ eines Kontinents, der schon von zahllosen Vorgängern umgepflügt wurde, und gelangt zu einem eigenständigen Organismus von Beziehungen, Entsprechungen und Übersetzungen, sie lässt sich zu ikonographischen Testflügen verführen. Zahlreiche eingeklebte Abbildungen und Lexikonartikel öffnen Fenster in kunsthistorische Bezugsfelder. Die eigenen Skripturen und Skizzen bilden in dieser Feldforschung gleichzeitig ein sinnerfülltes Ornament. Eine Duchamp-Anmerkung kann aus einer einzigen Fotokopie aus einem Standardwerk bestehen (exakte Quellenangaben mit eingeschlossen) oder einer mit Bleistift gezeichneten und annotierten Grübelei. Dazwischen ist (fast) alles möglich, etwa die herausgehobenen Kommentare auf Post-its in vielen sanften Farben, die wie Kometen als Geistesblitze aufleuchten. Diese…

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