Otobong Nkanga
Die Wahrnehmung fragiler Chancen
Ein Gespräch mit Michael Hauffen
„Acts at the Crossroads“ war eine der jüngsten Einzelausstellungen überschrieben, und das Ansetzen an den Knotenpunkten aktueller Entwicklungen bedeutet für die Werke von Otobong Nkanga vor allem, dass sich psychische und ökonomische, ökologische und ästhetische Ebenen auf eine Weise überlagern, die von philosophischen Fragen nach einem Verständnis der tieferen Zusammenhänge bestimmt sind. Ein Amalgam surrealistischer, materialkundlicher und nicht zuletzt kolonialismuskritischer Elemente fordert zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung heraus. Weder die sinnliche Intensität und die situative Zuspitzung noch die Integration einer Vielfalt von Medien und Beteiligten bei der Herstellung der Werke sind reiner Selbstzweck, sondern sie sind Merkmale der Intention, die Grenzen selbstgefälliger Betrachtung mit Bedacht zu überschreiten und die Sorge um fragile Subjektivitäten hier und jetzt mit objektiver Praxis zu verbinden. Die Suche nach Chancen für Erhalt und Wiedergewinnung von Lebensräumen, konkret etwa nach alternativen Formen selbstorganisierter Produktivität, erweist sich denn auch als durchaus vereinbar mit zeitgenössischer Kunst auf höchstem Niveau, ja vielleicht ist es sogar das nicht unbedingt neue Konzept, auch kunstintern vorhandene Grenzen zu relativieren, das in diesen Zeiten zählt.
Das folgende Interview fand zur Eröffnung der Ausstellung im Martin-Gropius-Bau in Berlin statt, wo die Künstlerin mit Bildern, Installationen und einem Projektraum noch bis Dezember zu erleben ist.
Michael Hauffen: Oft ist die erste Frage in einem Interview: woher kommst du, wo lebst du? Was dich betrifft, ist deine Herkunft einerseits aufschlussreich, andererseits hinterfragst du ja auch die Vorannahmen, die mit dieser und ähnlichen Fragen verbunden sind. Was würdest…