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Relektüren · von Rainer Metzger · S. 330 - 331
Relektüren ,

Relektüren
Folge 60

Rainer Metzger

Seit die Kunst die Welt retten will, und das versucht sie zwar von Anfang an, vermehrt aber in der jüngeren Gegenwart, nimmt sie wieder gern biblische Ausmaße an. Kein Wunder also, dass der Katalog zur 13. documenta von 2012 den nicht weniger als das Ganze der Offenbarung streifenden Titel Das Buch der Bücher trägt. Und weil in theologischen Angelegenheiten der Kanon nicht weit ist, steigen die gut 800 Seiten dieses veritablen Codex mit einer Anleitung des zu Lesenden, Lernenden, Lebensrettenden ein, einer Lektüreliste also, die kunstbetriebsüblich vor allem Theorie enthält. Als Nummer eins der chronologisch firmierenden Aufzählung gibt es die legendäre griechische Dichterin Sappho, deren Theo rietauglichkeit vielleicht darin besteht, dass sie sich als Urheberin des Begriffs Lesbisch verstehen lässt. Dann braucht jedenfalls Homer im documenta-Curriculum schon nicht mehr vorkommen.

Für das Jahr 1991, knapp vier der voluminösen Seiten weiter, ist Donna Haraway aufgeführt, eben mit dem deutschsprachigen Titel, der hier einer Relektüre unterzogen wird. 1991 war bei Routledge die amerikanische, mit einem schön akademischen Oxford Comma versehene Publikation Cyborgs, Simians, and Women. The Reinvention of Nature herausgekommen (also mit jenem Komma vor dem „and“ im Titel, über das sich schon Jahrhunderte von Scholaren den Kopf zerbrochen haben – bei Interesse höre man das gleichnamige Lied auf der ersten LP von Vampire Weekend). Für die deutsche Ausgabe von 1995 sind neben dem Titel indes nur noch drei von im Original neun Aufsätzen übriggeblieben, dazu gibt es einen weiteren, einer anderen Publikation entnommenen Essay sowie ein Interview mit der…

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