Konstruktionen und Dekonstruktionen des Natürlichen
Eine Bestandsaufnahme von Natur in der Kunst nach dem Ende der Natur
von Judith Elisabeth Weiss
I NATURECULTURES
KRITISCHE ÖKOLOGIEN ODER DAS ENDE DER NATUR
Natur als Bezugsgröße von Ästhetik, Ethik oder Kunst ist ein Dauerbrenner, doch nimmt man den gegenwärtigen theoretischen Diskurs ernst, dann wird der Begriff der „Natur“ im Wortschatz zukünftiger Generationen nur noch als Reminiszenz existieren. Vielerorts sind Bemühungen zu erkennen, die für eine Überwindung der Dichotomie von Natur und Kultur plädieren. Sie sind eine Reaktion auf die massiven Auswirkungen menschlicher Technologien, die in alle Bereiche des Lebens und der Umwelt eindringen. Konzepte wie „Biofakt“ (Nicole Karafyllis), „NatureCulture“ (Donna Harraway), „Ökologie ohne Natur“ (Timothy Morton), „Nat / Cul“ (Bruno Latour), der vielfach verwendete Begriff der „post-nature“, das „Anthropozän“ und die mit ihm verbundenen Alternativbegriffe wie „Kapitalozän“, „Technozän“, „Plantagozän“ oder „Chthuluzän“ versuchen die menschlichen Zurichtungen des Natürlichen begrifflich zu fassen. Angesichts dieses Paradigmenwechsels in der Betrachtung von Natur besteht die Zukunft der Kunst möglicherweise darin, dass sie noch mehr an die Schnittstellen und Übergänge von Wissenschaft, Technologie und Politik rückt.
Das Ende des Konzepts „Natur“ könnte nicht treffender als mit dem Bild einer schwarzen Landschaft in Szene gesetzt werden. Sven Drühl (* 1968) tituliert seine 2006 begonnene und bis heute fortgesetzte Bildserie großformatiger schwarzer Landschaftsbilder mit „Undead“ – Untote, bereits Gestorbene, die als Wiedergänger zurückkehren und ein Nachleben zwischen tot und lebendig führen. Die dargestellte Natur der zitierten Künstler, wie hier Caspar David Friedrich, wird gleichsam zum Survival der Kunst geschichte, das zwischen Vergangenheit und Gegenwart ruhelos im kulturellen…