London
Lawrence Abu Hamdan: once removed
Maureen Paley 07.11.2020–17.03.2021
von Edgar Schmitz
Lawrence Abu Hamdan’s Once Removed testet Distanzierungsmuster aus. Der 2019 für Sharjah produzierte Film führt die monumentale Sammlung vor, die der 31jährige Bassel Abi Chahine in akribischer Kleinarbeit über Jahre zusammentrug.
Ihr Fokus sind die People Liberation Army (PLA) und die Progressive Socialist Party (PSP), zwei Milizen im libanesischen Bürgerkrieg; ihr Material sind Fotos, Embleme, Fahnen und Uniformen, Gespräche und Besuche, Schubladen voller Aufnäher und Propagandaposter, die er recherchiert, gesammelt, zusammengetragen, geborgt und gefunden hat. Bilder des Materials funktionieren im Film als historische Motive und dokumentarisches Beweismaterial wie auch als fetischisierte Reliquien, die als materielle Spuren an die Momente, Orte, Leben und Leichen des Bürgerkrieges anknüpfen; die Fahne ist ausgeblichen, weil sie so lange über dem Camp wehte, und voller Falten, weil sie so lange unter dem Bett des ehemaligen Kommandanten versteckt werden musste. Handgemacht ist sie ohnehin schon immer, diese akribische Vergrößerung eines autoritären Emblems.
Im Film ist erstmal unklar, von wo aus die Sammlung zusammengetragen wurde, bis dann Stück für Stück abrufbar wird, dass die Faszination des Sammlers sich aus Erinnerungsfragmenten speist, anhand derer er sich letztlich selbst in den Bürgerkrieg zurückarchiviert. In Zeichnungen aus seiner Kindheit in Amerika tauchen Milizmotive auf, Denkmäler auf amerikanischen Friedhöfen verweisen in vervielfältigten Projektionen und individualisierten Lesarten auf libanesische Gefallene. Bassill Abi Chahine erkennt sich selbst im Zuge der Archivierung als Reinkarnation eines im Bürgerkrieg vor seiner Geburt gefallenen Kämpfers (wieder), und die Erinnerungsfragmente fügen sich zu Restbildern eines früheren und gewaltsam beendeten Lebens…