Österreich
Renate Bertlmann
Discordo ergo sum
Kommissar: Sektion Kunst und Kultur des Bundeskanzleramts Österreich
Kuratorin: Felicitas Thun-Hohenstein.
Ort: Giardini
Mit Renate Bertlmann (1943, Österreich) stellt erstmals eine Künstlerin alleine in dem 1934 nach den Plänen von Josef Hoffmann eröffneten Pavillon aus. Als eine der wenigen Frauen studierte sie an der Wiener Akademie der Bildenden Künste, war von 1970 bis 1982 dort Lehrbeauftragte, hatte einige namhafte Ausstellungsbeteiligungen mit ihrer radikal feministischen Kunst voller Schnuller, Gummipuppen, Kondome und Dildos – und verschwand dann aus dem Sichtfeld des Kunstbetriebs. Erst in den letzten Jahren ist sie durch die bahnbrechende Wanderausstellung Feministische Avantgarde (Kuratorin Gabriele Schor, Sammlung Verbund, 2015) wiederentdeckt worden. Dort sah auch ihr Londoner Galerist Richard Saltoun Bertlmanns Werk und arbeitet seither mit ihr zusammen. 2017 erhielt sie den Österreichischen Staatspreis als „feministische Pionierin“. 2018 lud Kuratorin Felicitas Thun-Hohenstein sie dann zur Biennale Venedig ein. „Bertlmann hat sehr früh Pionierarbeit in ästhetischer und konzeptueller Hinsicht geleistet, in ihrer Kompromisslosigkeit und Radikalität“, habe „feministische Handlungsräume produktiv gemacht“, habe im „lustvoll-unentschiedenen Terrain geforscht, das geschlechtliche Subjektivität ausreizt. Damit öffnete sie bereits in den 1970er Jahren einen queeren Diskurs auch zu posthumanen Körperentwürfen“, erklärte die Kuratorin auf der Pressekonferenz. Das mache sie bis heute für „junge Künstlerinnen zu einer Orientierungsfigur“.
Bertlmann tritt jedoch mit keiner ihrer bewusst kitschigen Objekte oder provokanten Performances auf, sondern mit einer zurückhaltenden Mini-Retrospektive auf einer vom StudioVlayStreeruwitz entworfenen, weißen Ausstellungsarchitektur: Auf schwarz-weiß-Plakaten sind einige ihrer Werke zusammengestellt, darunter Messerschnullerhand (1978), der Schnittbogen 1 mit Phallus motiven (1980) oder die Fotografie ihrer Performance Schwangere Braut im Rollstuhl (1978). Auf einer Tafel sieht man ihre Wunschkojen, wenig experimentelle Entwürfe für Einzelausstellungen, zu denen es damals nie kam. Über 4000 Zeichnungen hätten sie für diese Zusammenstellung gesichtet, betonte Kuratorin Thun-Hohenstein. Dazu ließ Bertlmann zwei neue Werke fertigen: Vor dem Pavillon stehen die Metallbuchstaben „Amo Ergo Sum“ (Ich liebe, also bin ich); im Innenhof sind 312 roten Murano-Glasrosen „wie Soldaten aufgereiht“, wie Bertlmann erklärt. Über titelt ist der Pavillon mit einer weiteren Abwandlung von Descartes’ berühmtem Ersten Grundsatz Cogito ergo sum (Ich denke also bin ich): „Discordo ergo sum“ (Ich widerspreche, also bin ich). (SBV)
Sabine B. Vogel: Wie entstand das Konzept für Ihren Beitrag in Venedig?
Renate Bertlmann: Nach meiner Nominierung bin ich nach Venedig gefahren und habe mir den Pavillon zwei Tage lang angeschaut. Die Fassade erschien mir wie eine Leinwand und ich habe mich gefragt, wie kann ich die in Besitz nehmen? Indem ich sie signiere! Aber ich wollte nicht meinen Namen schreiben, sondern mein Lebens- und Arbeitsmotto: Amo Ergo Sum. Dann habe ich gespürt, dass die Sonne eine besondere Rolle hier hat. Darum steht der Schriftzug als Skulptur mit einem kleinen Abstand vor der Fassade. So wirft die Sonne die Schrift als wunderbaren Schatten auf die Wand. Für den Hof entschied ich den Messerrosengarten. Das Messer kommt vielfältig in meiner Kunst vor, hier bildet es den notwendigen Pol für „amo“, es ist das ,discorso‘ im Titel: ich rebelliere, ich bin widerständig, ich kämpfe. Die Messerrosen sind ein Ausdruck für die vielen Ambivalenzen, denen wir ausgesetzt sind. Die Rosen erinnern daran, dass Schönheit und der Schmerz, Zorn und Zärtlichkeit so nah sind.
Warum zeigen Sie im…